Recruitment Insights: Ghosting vorbeugen und begegnen

Berlin | 18.02.2025

Das Wichtigste vorab:

Nicht jede:r Bewerber:in ist im Recruiting-Prozess zu halten. Vielmehr sollte es das Ziel sein, so früh wie möglich Klarheit über die Personen zu gewinnen, bei denen kein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle besteht oder womöglich nie bestand. Mag sein, ob hier einfach der Marktwert getestet wurde oder ein kurzer Funken der Begeisterung am Anfang gegeben war, dieser aber nie ein wirkliches Feuer für einen möglichen Jobwechsel entfachtet. Der Bewerbungsprozess wird so oder so Platzen und solche »Luftnummern« sollten besser früher als später erkannt werden. 

Unserer Erfahrung nach gibt es zwei Hauptursachen, auf die man sich konzentrieren sollte: erstens, Ghosting, bei dem nie wirkliches Interesse gegeben war und zweitens, Ghosting aufgrund von Kehrtwenden im Prozess. Unsere Umgangsweisen und Handlungsempfehlungen stellen wir im Folgenden dar.

Grundsätzlich gilt:

Unternehmen sollten sich Verbindlichkeit und ehrliches Commitment zum Bewerbungsprozess von Anfang an einholen. Niemand will seine Zeit grundlos investieren. Dennoch sollten die Hürden, im angespannten Bewerbungsmarkt für Spezialist:innen nicht zu hoch gelegt werden. Manchmal baut sich anfängliche Neugier erst zu wirklichem Interesse auf.

Aber: Nicht jedes Zögern bedeutet Desinteresse oder Unverbindlichkeit. Es kann auch für Interessent:innen nicht Alles vorhergesehen werden. Mit Misstrauen und Unterstellungen lässt sich definitiv kein gewinnender Prozess führen.

Also, freundlich im Ton und Umgang und gleichzeitig klar in der Sache. Am Ende sind es immer Menschen, die sich beim Jobwechsel bzw. Einstieg in eine neue Aufgabe sehr grundsätzliche Fragen für sich und ihr Leben stellen. Solche Entscheidungen sind selten 100% und nur eindeutig, daher heißt es hier Fingerspitzengefühl zu beweisen und nicht zu drängen, wohl aber Verbindlichkeit zeigen und einfordern.

»Geben Sie regelmäßige Updates. Transparenz und Ehrlichkeit werden immer honoriert.«

Daniel Schmökel | Geschäftsführer

Maßnahmen gegen Ghosting im Bewerbungsprozess: Transparenz und Tempo

Sollte Ihnen das Phänomen Ghosting im Bewerbungsprozess schon mehr zwei Mal begegnet sein, richten Sie den Blick auf Ihren Bewerbungsprozess aus Perspektive der:des Bewerber:in, die so genannte candidate experience.  So unterschiedlich Prozesse aufgrund von Unternehmensstrukturen organisierbar sind, so unterschiedlich können die Bewerbungsmotive sein, die auf diese treffen. Einem systematischen Ghosting vorzugreifen ist schlichtweg unmöglich. Dennoch werden viele Hemmnisse im Prozess offensichtlich, wenn Sie eine Person Ihres Vertrauens bitten sich einmal faktisch bei sich zu bewerben. Ehrliches Feedback ist hier Gold wert und kann blinde Flecken im Bewerbungsprozess aufdecken.

Unser Tipp: Eine klare Prozessgestaltung: Ein zumindest grob strukturierter Zeitplan für den Bewerbungsprozess schafft Vertrauenswürdigkeit.

Der erste Eindruck ist entscheidend

Das gilt für viele Lebenslage in denen sich Menschen begegnen. Wir bei munerio vertreten die Haltung, dass sich die:der potenzielle neue Mitarbeiter:in unmittelbar mit dem Eingang ihrer:seiner Bewerbung einen Eindruck von Abläufen, Strukturen und Organisationsvertreter:innen verschaffen kann. Ob Sie wollen oder nicht, dient dieser Eindruck meist als Blaupause für den weiteren Prozess: Wer reagiert? Wann wird reagiert? Wie wird reagiert? Auf diese Fragen bekommt die:der Bewerber:in unweigerlich eine Antwort. Getreu der Devise: Man kann nicht, nicht kommunizieren. Aus Kandidat:innen-Sicht: Ein absolut wertvolles Entscheidungskriterium.

Unser Tipp:

Wer? – Informierte und am besten ein:e feste:r Ansprechpartner:in 

Wann? – sollten möglichst zeitnah

Wie – eine konkrete und persönliche Orientierung geben

Gerade im Recruiting von größeren Mittelstandsunternehmen bis Konzernen übernehmen den Bewerbungsschritt Personalabteilungen, insbesondere Personalreferent:innen. Hier sollte es das Ziel sein, innerhalb von allerhöchsten 2 Wochen eine qualifizierte Rückmeldung auf die Bewerbung zu geben.

Kleine Unternehmen haben häufig gar keine Kapazitäten, um geordnete Prozesse darstellen zu können. Das muss überhaupt kein Nachteil sein, ganz im Gegenteil kann es ein großer Gewinn sein. Eine Bewerberin, die sich in einem 50-Personen Betrieb bewirbt und einen Hochglanz-Recruiting-Prozess erwartet, ist wahrscheinlich ohenhin falsch aufgehoben, andersherum kann der Pragmatismus und unmittelbare Rückmeldungen direkt von den Führungskräften ein absoluter Gewinn für ihre Entscheidung sein, wenn solche Prozesse ihrem Arbeitsgusto entsprechen.

»Tun Sie, was Sie sagen und sagen Sie was sie tun.«

Unser Unternehmensmotto

Schnelle Reaktionszeiten sowie Informierte und verbindliche Aussagen sind die Gütekriterien eines gelungenen Bewerbungsprozesses. Setzen Sie sich keine Deadlines, die sie selbst nicht halten können.

Unser Tipp:

Regelmäßige Updates zum Stand – Transparenz und Ehrlichkeit werden immer honoriert. Genauso, wie Sie eine Offenheit über andere laufende Verfahren von ihren Bewerber:innen wünschen, ist es für Menschen in einem offenen Bewerbungsverfahren von großem Interesse informiert zu bleiben. Sprechen Sie alternative Bewerbungsoptionen offen an oder fragen Sie nach diesen, Sie werden viel über die:den Bewerber:in lernen: »Was spricht für Ihre Bewerbung bei uns gegenüber den anderen Optionen?«  Zudem können sich Bewerbungsmotive über den Verlauf eines Prozesses, mit zunehmenden Informationen und Eindrücken, verändern. Fragen Sie doch mal nach: »Wo stehen Sie nach unserem Gespräch im Vergleich zu vorher?«

Je unpersönlicher der Prozess, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Ghosting kommt.

Spätestens, wenn das erste direkte Kennenlernen, sei es digital oder vor Ort stattgefunden hat, sollten Sie regelmäßig und persönlich in Kontakt stehen und der:dem Bewerber:in eine klare Orientierung im weiteren Prozess geben. Hier empfiehlt sich ein:e feste:r Ansprechpartner:in für den Recruiting-Prozess. Es kann immer zu nicht planbaren Verschiebungen kommen, die kommuniziert werden sollten. Eine Woche ohne Rückmeldung fühlt sich für einen interessierten Bewerber länger als Sie glauben.

Protokollieren Sie ihre Kontakte in einem Kurzprotokoll oder einer Art Memo zu den Bewerber:innen mit denen Sie im direkten Austausch standen. Die meiste gängige HR-Recruiting Software sieht entsprechend, kollaborative Möglichkeiten im ATS (applicant tracking system) vor. Unsere Erfahrung ist, dass dies leider selten von allen Beteiligten gewissenhaft genutzt wird. 

Und kommt es doch zum Ghosting? Benennen Sie die Nicht-Reaktion der:des Bewerber:in und legen Sie Ihre Einschätzung offen: »Leider haben wir Sie nicht mehr erreicht. Wir gehen daher davon aus, dass Sie nicht an einem weiteren Kennenlernen mit uns interessiert sind.« Es hilft Ihnen an einen Schlussstrich unter die Bewerbung zu ziehen und schafft Spielräume für anderer Bewerber:innen.

Disclaimer: Alle hier getroffenen Annahmen und Empfehlung sind grundsätzlicher Art und selbstverständlich nicht so generalisierbar, wie sie hier und da formuliert sind. Das Offensichtliche und der gesunde Menschenverstand sind im Recruiting immer ein hervorragender Ratgeber!

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